Lutz Rahn – Solo Trip
Ende der 1970-er Jahre steckte die Hamburger Formation Novalis samt ihrem charismatischen österreichischen Sänger Fred Mühlböck schwer im Stress und war kreativ wie kommerziell in der Hochzeit ihrer Karriere. 1978 war das Meisterwerk “Vielleicht bist du ein Clown?” erschienen, im Jahr darauf das großartige erste und einzige Konzept-Werk der Band, “Flossenengel”.
Zur gleichen Zeit begab sich Novalis-Keyboarder Lutz Rahn auf einen “Solo-Trip” (so der LP-Titel) mit einem Album, das sowohl Elemente klassischer atmosphärischer Klaviermusik, beschwingte Orgel-Schleifen und idyllische elektronische Klangwanderungen enthält. Manch Anhänger der Gruppe wunderte sich über diesen musikalischen Alleingang, befürchtete gar, es würde sich um einen Befreiungsschlag des so introvertierten wie innovativen Tastenvirtuosen von seiner Stamm-Gruppe handeln. Dem widerspricht Rahn noch heute ganz energisch, indem er feststellt: “Der „Befreiungsschlag“ resultierte nur aus meiner musikalischen Neugier. Als wir Novalis 1971 gründeten, war mein Basisinstrument die Hammondorgel. Durch die Entwicklung elektronischer Musikinstrumente, Sequenzer etc. ergaben sich im Laufe der Zeit viele neue Möglichkeiten, die natürlich auch Auswirkungen auf mein Songwriting und die Arrangements hatten. Genau die wollte ich möglichst umfassend nutzen.”
Und er fügt hinzu: “Ich habe im Laufe der Zeit eine gewisse musikalische Experimentierfreudigkeit entwickelt. Es hat mich neben meiner Arbeit für Novalis gereizt, auch andere Ideen zu verfolgen. Bei diesen Ausflügen hat sich einiges Material angesammelt – nicht ursprünglich mit dem Plan, ein Soloalbum daraus zu machen. Die meisten Titel sind nicht unmittelbar vor Veröffentlichung von „Solo-Trip“ entstanden, sondern bereits in den Jahren davor.”
“Solo-Trip” war exakt dieses – mit Ausnahme des befreundeten Schlagzeugers Helge Tillmann ist niemand außer Rahn an den unterschiedlichsten Instrumenten zu hören. Auch auf eine Gesangsstimme wartet man vergebens, was der Dynamik und dem Abwechslungsreichtum der acht Kompositionen keinerlei Abbruch tut. “Außerdem”, erklärt Rahn mit seinem stoischen norddeutschen Humor, “bin ich ein lausiger Sänger, das mit dem Singen habe ich mal besser gelassen.”
Wenn es nach Lutz geht, steckt hinter “Solo-Trip” kein Konzept: “Es ist schlicht eine Sammlung instrumentaler Ideen und Gedanken. Ideen, die mich begeistert haben. Außerdem wollte ich darauf, ohne auf irgendwelche Bandmitglieder Rücksicht nehmen zu müssen, meine damals aktuellsten elektronischen Instrumente und Geräte ausprobieren”, bestätigt er. Speziell in der Keyboarder-Szene wurde “Solo-Trip” in den höchsten Tönen gelobt, man verglich die Produktion mit den frühen Werken des französischen Soundmagiers Jean-Michel Jarre oder mit denen der japanischen Far East Family Band um den nicht minder talentierten Tastenhexer Kitaro.
Trotz der prächtigen Resonanz ist es mit diesem Werk bei Lutz Rahns einzigem “Solo-Trip” geblieben. “Ich wollte ja nie ein Solo-Künstler sein”, erklärt der Hanseat, “dazu ging ich viel zu stark und viel zu gern im Bandgefüge auf. Die Clownsmaske auf dem Cover, hinter der ich mich verstecken konnte, war durchaus Prinzip.”
1985 löste sich Novalis auf, sämtliche Mitglieder sind heutzutage in nicht-musikalischen Berufen tätig. Nur Lutz Rahn hat sie bis heute nicht losgelassen, die Sucht nach der verzauberten Welt der Klänge. Er ist heutzutage als Komponist, Arrangeur und Produzent im eigenen Studio zu Gange. Und versonnen gibt er zu: “In der letzten Zeit denke ich immer öfter über so etwas wie ein “Novalis-Projekt” nach, mit verschiedenen Sängern und Musikern. Sollte das funktionieren, wäre das in der Tat mein “Solo-Trip”, Part 2.”
Michael Fuchs-Gamböck
TRACKLISTING:
1. Solo-Trip
2. Yeti
3. Galaxy Taxi
4. September
5. Dracula’s Kuss
6. Jubel-Trubel
7. Minuetta
8. Ausklang