• 3CD
  • Date : 2019 // 20.01.2023
  • Package : CD Digipack // CD Jewel Case Box
  • Running Time CD 1 : 77:55
  • Running Time CD 2 : 76:37
  • Running Time CD 3 : 79:29

Klaus Schulze – La Vie Electronique Vol. 3

Wiederveröffentlichung der erfolgreichen und teilweise vergriffenen „La Vie Electronique“-Serie von Klaus Schulze.

 

„La Vie Electronique“ erschien ursprünglich in einer streng limitierten 50er CD-Box und wurde später chronologisch mit teilweise bisher unveröffentlichtem Material in 3er CD-Sets veröffentlicht.

 

Träumen Elektroniker von elektrischen Schafen?

Weder neue Fans noch hartnäckige Enthusiasten können jetzt noch – auch wegen des vorliegenden Albums – die Ausrede “nicht erhältlich” vorschieben, um sich dem Hörvergnügen zu entziehen. Die Fülle an Aufnahmen dieses einmaligen Musikers ist durch die schönen Wiederveröffentlichungen wieder ins Bewusstsein gerückt worden. Alle seine originalen, manchmal (zumindest in den USA) schwer zu findenden Alben sind nun – oft sogar mit Bonustiteln versehen – zugänglich und fordern zum Sammeln auf. Das Ohr kann die Bekanntschaft mit dem beträchtlichen Ausmaß von Schulzes Musik erneuern, von den frühen Anfängen bis hin zu seiner zeitgenössischen Kulmination. Inzwischen gehören zu Schulzes Repertoire seine “patentierte” Langatmigkeit und der immer noch bahnbrechende Umfang seiner mannigfaltigen Klangfarben.

 

Trotz des Alters der hier vorliegenden Aufnahmen gibt es durchgehend nicht eine verschwendete Sequenz, kein überflüssiges Motiv oder eine vertane Idee; manche der Schulzeschen forschenden Ansätze erweisen sich im Ergebnis sogar als in voller Blüte stehend. Diese dritte Folge der immensen “Ultimate Edition” präsentiert uns eine Menge Konzertaufnahmen mit vielen improvisierten Titeln; quasi als Ergänzung der vielen bekannten Studioaufnahmen. Ab und zu hat KS die trockene Luft des Studios gerne mit dem aufregenden Bühnenauftritt vertauscht. Nicht selten wurden in diesen Konzerten ungeahnte Kreativschübe geweckt. Die Basis für Klaus ist zweifellos die Möglichkeit, seine Ideen in der Behaglichkeit des Studios mit seinem gewaltigen Arsenal an Instrumenten in aller Ruhe zu entwickeln. Auf der Bühne, im direkten Kontakt mit dem Moment und dem Publikum, scheint die latente Energie dieser ganz anderen Atmosphäre sehr direkt auf ihn einzuwirken. Die sich daraus ergebende Elektrizität überträgt sich in großen Schüben geschmolzener synthetischer Energie ins Publikum. Schulzes Musik, wie die vieler anderer Musiker, wird nicht immer nur in der Einsamkeit eines Studios ausgedacht und geschmiedet; in der Fülle seiner großartigen Werke gibt es so manche, die bei einem Konzert gespielt und glücklicherweise aufgezeichnet wurden.

 

Die vorliegenden drei CDs veranschaulichen gut Schulzes jenseitigen Zauber, den er im Rampenlicht hervorbringen kann. Was ist dran an den pulsierenden Strömen ineinandergreifender Synthesizer, die mit einem Tastendruck erregt werden und die das Zuhören so fesselnd machen? Obwohl man Schulzes Musik schwerlich als “minimalistisch” bezeichnen kann, kommt doch vieles von der Mantra-ähnlichen Hypnose, die seine Musik stützt, der buchstäblichen Bedeutung dieses Minimal-Stils nahe. Die beiden jeweils mehr als halbstündigen Titel, die die CD 1 füllen (plus das kürzere Sequenzerstück “Well Roared, Lion!”), sind wichtige Versuche über die metallene Leere der damaligen Synthesizer und über Science-Fction-Welten, die sie heraufbeschwören. Interstellare Winde, die durch “Alles ist gut” wehen, könnten jede Heerschar futuristischer Starship-Kavallerie musikalisch untermalen. Viele der von Schulze großartig erzeugten Takte und geheimnisvollen Doppelbedeutungen lassen manchmal Klangbastler wie Louis und Bebe Barron oder Oskar Sala wieder aufleben. Den Stücken zu erlauben, sich emsig und stufenweise zu entwickeln, bedeutet für den Hörer, dass er total verloren ist in den Klängen der virtuellen Fantasie; sei es ein tiefes Sinken in finstere, samtene Stimmungen, oder ein Schub kopfüber in verrückt verschlungene Töne.

 

Berücksichtigt man die immense Lagerdauer dieser Werke, wird ihre Bedeutung noch außerordentlicher; besonders wenn man um die (eingeschränkten) Möglichkeiten der damaligen Instrumente weiß. Schulzes geschickte Hand erzeugt mit ihnen trotzdem einen Klang völliger Gleichzeitigkeit mit dem Heute. In einer Gegenwart, in der analoge Synthies und zuvor “veraltete” Rhythmusgeräte eine neue Blüte erleben, und zwar bei den Hörern wie bei den Machern, ist Schulzes weitreichende Klangarchitektur plötzlich auch wieder in Mode. Obwohl er niemand ist, der sich zufrieden zurücklehnt und ausruht: neuere Alben wie “Moonlake” oder das 2007er “Kontinuum” zeugen von der tief verwurzelten Methode Schulzes, immer wieder neue Tricks aus seinem System zu kneten; diese Aufnahmen maximieren das grenzenlose Potential seines digitalen Arsenals. In der Ausweitung der Sampling-Technik während der letzten zehn Jahre hat Schulze meisterlich belebt gewirkt. Auch hat er irgendwie die “Reinheit” seiner frühen analogen Experimente nicht nur in vielen Aufnahmen belegt, man erkennt darin auch (s)eine unbewusste Lebenskraft und Dynamik, die auf seinem langen Weg im Laufe vieler Dekaden nicht nachgelassen hat.

 

Taucht man ganz ein in die spiralförmigen Sequenzer-Klänge der drei einzelnen Konzertmitschnitte auf CD 3, weist “Zeichen meines Lebens” mit Sternen-schillerndem, raketengleichem Antrieb auf verschlungenen Serpentinenbahnen auf nicht weniger hin, als auf einen übersteuerten, “verrückten” Elektroniker, der über seinem Super-Rechner schwebt. Dies Image hat man beim Anschauen von Schulze-Fotos aus dieser Zeit: er sieht oft so aus wie der vorletzte Flugsicherungslotse, der an- und abfliegende, dröhnende Transportflugzeuge mit souveräner Hand und perfekt abgestimmter Muse unter einen Hut bringt. Berücksichtigt man die überirdische Fantasie, die “Fourneau Cosmique” absorbiert, oder auch das gerade erwähnte “Zeichen meines Lebens”, ist es nicht allzu schwer, zu verstehen, wo tatsächlich die Wurzeln der “Spacemusik” liegen; und das ist auch das passendere Wort für die Gattung und das Konzept – eher als das scheußliche “Krautrock”.

 

Auf keinen Fall soll man die Bedeutung und schiere Fülle an offenbarer Fantasie negieren, die auch in den Studio-Aufnahmen liegen, die ebenfalls in diesem Set zu finden sind (und zuvor in der Historic und Jubilee Edition waren). Die Studio-Aufnahmen der dritten CD des hier vorliegenden Albums stammen aus der Mitte der siebziger Jahre, und auch sie lassen Einblicke in Schulzes spätere Richtungen aufblitzen. Natürlich ist diese Musik auch verwurzelt in der elektronischen Sprache der damaligen Zeit, und Titel wie “Semper idem” und “Wann soll man springen?” umfassen doch noch sehr die “klassische” Grundlage, auf der Schulze baut, wie er selbst betont. Man kann der Musik aber auch entnehmen, was Schulze sich daraus später zunutze machen wird, zum Beispiel mit digitalem Sampling. Es sind Ausgangspunkte, die ihn dann später einige der verschiedenartigsten und schwierigsten Musiken seiner Karriere gestalten lassen. Hier ist er bereits weit entfernt von seiner Zeit als Schlagzeuger bei Tangerine Dream und Ash Ra Tempel, trotzdem scheinen diese frühen Jahre einen unerschöpflichen Strudel an Ideen hinterlassen zu haben, die er nun den Silicon-Eingeweiden seiner vertrauten Maschinen abringt.


 

Tracklist:

CD 1:

Alles ist gut

  1. I ScentThe Morning Air 08:17
  2. Le roi s’amuse 21:45
  3. The Rest Is Silence 06:15
  4. Well roared, Lion 09:20

Der blaue Glaube

  1. La vida es sueno 08:40
  2. Tant de bruit pour une omelette 23:35

CD 1 total: 77:55

 

CD 2:

Fourneau Cosmique

  1. Allumer 18:32
  2. Luer 07:05
  3. Die lebendige Spur 12:44

Der Lauf der Dinge

  1. Tutto va bene 10:16
  2. You Don’t Have To Win 10:27

CD 2 total: 76:37

 

CD 3:

Zeichen meines Lebens

  1. Für Vaterland und Menschenfresser 07:17
  2. Paternoster 07:02
  3. Es war ein Sonnenstrahl 12:25
  4. Il dolce dar niente 05:25
  5. Semper idem 11:37
  6. Wann soll man springen? 15:06
  7. Experimentelle Bagatelle 04:11
  8. Kurzes Stück im alten Stil 07:01
  9. Gewitter 09:21

CD 3 total: 79:29

CD1+2+3 total: 234:01