• CD
  • Date : 30.03.2012
  • Package : CD Digipack
  • Running Time CD : 46:06

Novalis – Flossenengel

Nach den sehr romantischen Alben „Vielleicht bist Du ein Clown“ oder „Sommerabend“ war das erstmals 1979 veröffentlichte Album „Flossenengel“ eine Zäsur für NOVALIS.

Hartwig Biereichel erinnert sich: „Dieses Album war unser kreativer Höhepunkt. Die verträumte, naive Phase war mit ‚Flossenengel‘ vorbei. Es ist ein Konzeptalbum – und jeder Song baut auf den vorhergehenden auf.
Zudem waren es erstmals sehr kurze Stücke. Im Gegensatz zu unseren früheren Monsterstücken waren die Songs sehr komprimiert. Und was viele ebenso erfreut wie geärgert hat: Wir wurden mit diesem Album erstmals radiokompatibel. Die Nummern waren härter und auch rhythmisch durchstrukturierter.“

„Flossenengel“ handelt von Atlanto, einem Wal, der in Gefangenschaft gerät und fast daran zugrunde geht. Doch der Fischer, der ihn seinerzeit gefangen hat, befreit ihn und entlässt ihn wieder in seine natürliche Meeresumgebung. Lange Jahre, bevor Hollywood dieses Thema in Streifen wie Free Willy auf Zelluloid bannte, haben sich bereits die deutschen Romantikrocker dieser bedrohten Tierart angenommen.

Die Geschichte, die in zehn Liedern erzählt wird, beginnt mit dem Instrumentaltitel Atlanto. Diesem Stück wurden Original-Unterwasseraufnahmen von Walgesängen hinzugefügt. Zum Abschluss der Platte ertönt das zweiminütige Stück Ob Tier, Ob Mensch, Ob Baum auf dem die Band den Schulterschluss zwischen dem Menschen und der Natur vollzieht.
In diesem letzten Track vernimmt der Hörer dann auch wieder die schon im Eingangstitel zu findenden Walgesänge.
Lutz Rahn meint 1980 zur LP: „Mit Flossenengel haben wir eine Platte gemacht, die sich mit dem Verhältnis Natur zu Mensch auseinandersetzt. Der Mensch ist stark an seine natürliche Umwelt gekoppelt. Wenn er sie zerstört, und er ist auf dem besten Wege dazu, entzieht er sich seine Lebensgrundlage. Auf diese Problematik aufmerksam zu machen, das wollen wir mit der Aktion erreichen.“

Hartwig Biereichel: „Probleme, denen man sich nicht entziehen kann, prasseln von allen Seiten auf uns ein. Das hat unser Lead-Sänger Fred Mühlböck in seinen Texten als Thema aufgegriffen. Unserem musikalischen Stil sind wir zwar treu geblieben, bei uns steht auch weiterhin die Melodie an erster Stelle, wir haben aber das überflüssige Beiwerk abgeschnitten und spielen auf dieser LP keine Mammutwerke mehr.“

Die Thematik des Albums ist auch nach mehr als 30 Jahre hochaktuell. Damals waren NOVALIS geradezu prophetisch.

Hartwig Biereichel: „Natürlich freut uns das, auch wenn der Anlass eher ein trauriger ist.
Es war schon damals abzusehen, was für eine ökologische Katastrophe sich zu entwickeln scheint. Und es war ebenso abzusehen, dass die Gier der Menschen nach immer mehr abzusehen war. Daran hat sich nichts geändert und wir nehmen nach wie vor wenig Rücksicht auf die Natur, wissen aber ganz genau, dass die Ressourcen äußerst begrenzt sind.
Irgendwann kommt der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt und wir müssen den nachfolgenden Generationen ein Chaos hinterlassen, das nicht mehr reparabel ist.“

Auf die Frage, ob die Gruppe ihre Musik als romantisch bezeichnet und warum sie deutsche Texte singen, sagt Lutz Rahn: „Das sind Kategorien der Werbewirtschaft. Wir möchten uns nicht für irgendeine Richtung abstempeln lassen. Unsere Musik hat eine gewisse Eigenständigkeit. Ich empfinde sie als feinfühlig.
Wir singen deutsch, weil wir uns in unserer Muttersprache am besten ausdrücken können. Außerdem werden unsere Texte damit auch verstanden. Sprachbarrieren, wenn wir im Ausland deutsch singen? Das sehe ich nicht so verbissen. Die allgemeinen Vorbehalte gegen fremde Sprachen nehmen immer mehr ab. In Japan haben wir beispielsweise 50.000 Platten verkauft.“

Hartwig Biereichel: „1979 waren wir derart individuell, dass wir einen sehr hohen Wiedererkennungswert und ein sehr eigenes Profil hatten – allein durch unseren Sänger Fred Mühlböck, der einen sehr eigenwilligen Gesangsstil und eine sehr eigenwillige Form der Textinterpretation hatte. Ich glaube schon, dass Novalis damals eine Marke war.
Unsere Patten wurden gekauft, weil man genau wusste, was einen erwartet.“

Die Idee eine Konzept-LP über eine gequälte Kreatur zu machen, war kein Werbegag. Die Band ging vielmehr mit diesem Thema auch auf Tournee und präsentierte während der Liveshow einen Film, der im Hintergrund auf eine große Leinwand projiziert wurde und der Aufnahmen von Walen in freier Natur zeigte.

Auf die Flossenengel-Tour, die unter dem Motto „Das Meer muss leben“ stand, gingen sie mit sechs Technikern, einem Fahrer und dem Tourmanager. Sie lieferten eine gut zweistündige Show, in der sie auch was fürs Auge boten. So schwebte über der Bühne ein 15 Meter großer, aufblasbarer Blauwal, den sie von Greenpeace bekommen hatten. Dieser dunkle Wal wurde von Scheinwerfern angestrahlt und sah – ähnlich Pink Floyds aufblasbarem Schwein – majestätisch aus. Außerdem präsentierten sie eine perfekte Lightshow, die aus 84 Scheinwerfern, Lichterketten, Krachern und phosphorierenden Gegenständen bestand, welche auch die visuellen Sinne der Zuschauer verwöhnte.

Bei ihren Konzerten sprang schon nach kurzer Zeit der Funke auf das Publikum über, was „bei einigen der Besucher schon ekstatische Ausmaße annahm“. Einige Auszüge aus der damaligen Presse sollen hier Eindrücke der Tour wiedergeben. Der Trierische Volksfreund schrieb: „Die Stücke der LP Flossenengel zeigten die Band von ihrer besten Seite: Impressive Klangcollagen wechseln mit locker gezupften Piano-Gitarren-Zwiesprachen.“ Die Hildesheimer Allgemeine Zeitung war der Auffassung, dass „… die Reise durch ihre Musik noch nie so gut war wie in diesem Jahr. Es gelang den fünf Musikern von der Elbe endlich auch, ihre Stücke mit dem rechten Drive auf die Bühne zu bringen. Die teils einfachen Harmonien wirkten durch die verbesserte instrumentale Ausgestaltung plötzlich weitaus aufregender und interessanter als zuvor.“

Und die Saarbrücker Zeitung beschreibt Freds Bühnenpräsentation: „… in dem Mühlböck sehr schön Querflöte spielt. Nicht nur hier erinnert Mühlböck’s Auftreten stark an Angelo Branduardi, er hüpft, läuft und tanzt wie er über die Bühne.“ Die Siegener Zeitung urteilte: „Mühlböck fiedelte die Geige, weinte auf seiner Harmonika, rockte seine doppelhalsige E-Gitarre, wandelte als Clown durchs begeisterte Publikum oder verkroch sich unter die Bühne. Schleppender Rhythmus des Drummers Hartwig Biereichel, leidendes Bassspiel von Heino Schünzel, tröstend wirkende Gitarrenbearbeitung von Detlef Job vermittelte die ungewisse Weite und grundlose Tiefe des Ozeans.“

Stephan Schelle


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Letztes Konzert’ 84


Bumerang


Augenblicke


Player

Tracklisting:

Atlanto 5:12
Im Brunnen Der Erde 4:28
Brennende Freiheit 2:20
Im Netz 8:38
Flossenengel 3:26
Walzer Für Einen Verlorenen Traum 3:27
Sklavenzoo 6:00
Alle Wollen Leben 4:45
Rückkehr 6:00
Ob Tier, Ob Mensch, Ob Baum 1:50