Novalis – Letztes Konzert’ 84
NOVALIS ist der Künstlername des frühromantischen Dichters Karl Friedrich von Hardenberg (1772-1801) und inspirierte im Herbst 1971 die Hamburger Heino Schünzel (Bass), Jürgen Wenzel (Gesang, Gitarre), Lutz Rahn (Keyboards) und Hartwig Biereichel (Schlagzeug) als Namengeber für ihre Band. Im Mai 1973 erschien das in englischer Sprache verfasste Debüt „Banished Bridge“, ab dem zweiten Album im April 1975 (für Wenzel war Gitarrist Detlef Job gekommen) sorgte die Hinwendung zu deutschen Texten für kontinuierlich steigende Popularität. Mit dem Klassiker „Sommerabend“ schafften NOVALIS 1976 den bundesweiten Durchbruch, anschließend entstanden mit ihrem neuen Sänger Fred Mühlböck die gelungenen Werke „Brandung“ (1977), „Vielleicht bist du ein Clown“ (1978) und „Flossenengel“ (1979).
Die Neue Deutsche Welle sorgte Anfang der Achtziger für völlig veränderte Parameter in der Musikszene, so dass NOVALIS‘ traditioneller Rock auf Werken wie „Augenblicke“ (1980), „Neumond“ (1982) oder „Sterntaucher“ (1983) nicht mehr zeitgemäß klang. Im Sommer 1984 gab die Gruppe ihr letztes Konzert in Originalbesetzung, das mit dieser neuen Doppel-CD jetzt zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Nur wenige Wochen nach dem Auftritt verließ Mühlböck die Band, das letzte Studioalbum von NOVALIS – fast schon programmatisch „Nach uns die Flut“ betitelt – wurde in geänderter Besetzung eingespielt.
Schlagzeuger Hartwig Biereichel kommentiert die Aufnahmen auf „1984 Live“:
„Mitschnitte von Live-Auftritten sind immer so eine Sache: Ich kann die Rezensenten schon hören, die (immer noch) eine neue NOVALIS-Scheibe auseinandernehmen: Da sind ja Verzerrungen, es zischelt und zischt, die Gitarre ist oft zu laut und so weiter, diverse Male danebengegniedelt – ja und überhaupt und so…
Klar, stimmt alles, es ist ja auch ein echter Live-Mitschnitt mit all seinen Fehlern. Aber es ist authentisch und völlig unbearbeitet (abgesehen von Erocs wundervollem Remastering), die kleinen spieltechnischen Fehler sind und waren immer Teil einer NOVALIS-Show. Dafür lebt es und hat Power.
NOVALIS waren eine Rockband, die bei den Studioproduktionen immer Probleme hatte, den Druck in die Rille zu pressen. Hier lassen wir alles raus, wie man in „Grenzen“ oder im Medley „Schmetterlinge/Irgendwo, Irgendwann“ hören kann.
Nach der 70er-Phase unter anderem mit „Sommerabend“ oder „Wunderschätze“ gab es für NOVALIS zu Beginn der 80er Jahre nur drei Entscheidungsmöglichkeiten, um als Band weiter kreativ zu sein und Spaß an der Sache zu haben: 1.) entweder weiterhin solche kapitalen Titel zu schreiben, was gar nicht so einfach ist, 2.) uns selbst zu kopieren und damit auf der Stelle zu treten oder 3.) neue, ungewohnte Dinge wagen, die vielleicht nicht jeder bisherige Fan hören wollte und folgerichtig diesen Weg dann auch nicht mitgegangen ist. So enttäuschend seinerzeit der nachlassende Erfolg war, so nachvollziehbar ist er aus heutiger Sicht.
Zu den damals neuen Titeln gehören „Ich hab noch nicht gelernt zu lieben“ (mit Lutz‘ filigranem Tastenspiel), „Cassandra“ (mit wildem, ungezügelten Rock-Drive und Freds Querflöte) oder „Über Stock und Stein“. Dieser Song war eigentlich ein reiner Studiotitel – dass er doch auf der Bühne reproduzierbar war und so abgeht, überraschte uns selbst.
Aus der älteren Phase stammen „Mit den Zugvögeln“ (romantisch verträumt und atmosphärisch dicht) und „Vielleicht bin ich ein Clown“ (ziemlich präzise trotz einiger Tempowechsel). In „Nimm meine Hand“ und „Bumerang“ hört man Freds Stimme an, dass es ihm in dieser Zeit persönlich nicht gut ging. Kurz nach diesem Konzert ist er endgültig ausgestiegen. Trotzdem haben wir auf der Bühne zusammen immer perfekt harmoniert – das hört man schon daran, dass viele Titel deutlich dynamischer gespielt werden als die entsprechenden LP-Versionen (z. B. „Kleinwenig mehr“ mit Heinos flinken Bassfingern oder „Wer Schmetterlinge lachen hört“/“Irgendwo, Irgendwann“ inklusive Detlefs orgiastischer Gitarre). Hört es mit Kopfhörern und ihr seid mitten auf der Bühne!“
…mehr Novalis:
TRACKLISTING:
CD1:
1. Kein Frieden 03:23
2. Ich habe noch nicht gelernt zu lieben 04:00
3. Cassandra 03:25
4. Spazieren im Morgen 03:56
5. Nimm meine Hand 04:32
6. Vielleicht bin ich ein Clown 06:30
7. Über Stock und Stein 03:56
8. Bumerang 04:43
9. Mit den Zugvögeln 03:47
CD2:
1. Ansage 00:30
2. Rückkehr 07:47
3. Fährmann 04:38
4. Kleinwenig mehr 03:09
5. Sterntaucher 05:24
6. Grenzen 06:46
7. Wer Schmetterlinge lachen hört / Irgendwo, Irgendwann (Medley) 12:18